Lena Whooo ist Künstlerin, Schauspielerin und Autorin. Nach ihrem abgeschlossenen Studium in Germanistik und Literaturwissenschaften machte sie sich mit ihrer Kunst selbstständig und lebt seither als freischaffende Künstlerin in Berlin. Aktuell ist Lena in New York und tritt ein Schauspielstipendium an der New York Conservatory of Dramatic Arts an. In dieser mehrteiligen Reihe nimmt uns Lena mit auf ihre Reise nach New York.
Noch drei Tage, drei Tage Homeoffice im Garten mit allem, was mich alltäglich umgibt und dann bin ich endlich auf halber Strecke im Flieger in die Staaten. Tatsächlich nicht zum ersten Mal…
Seit 2013 fliege ich in die USA und habe jedes Mal das Gefühl, ein Stück von mir dort wiederzuentdecken und aufleben zu lassen, sobald der Flieger mich aussteigen und den Boden betreten lässt. Die letzten Male war ich noch mit meinem Ex-Freund hier. Überübermorgen fliege ich alleine, darauf freue ich mich, weil ich so mehr Ruhe in meinen Gedanken aufbringen kann und damit Kontrolle über meine Reflexionsvorgänge besitze.
Ich will wissen, was mir die Staaten und – allem voran die Metropole unserer Zeit, unser modernes Alexandria – New York heute zu bieten hat. Neben seinen mir bekannten unzähligen Lichtern am Times Square ist New York ein Ort, an dem vermeintlich alles möglich zu sein scheint. Ich will wissen, ob sich mir New York heute auf eigenfinanzierter Basis ebenso voller Möglichkeiten erscheint, wie in der Zeit, in der ich als AuPair die Straßen New York Citys mit meinem Ostfriesenausweis unsicher gemacht hab (ein laminierter, online erstellter und ausgedruckter Spaß-Ausweis, den ich im Internet fand und in meiner AuPair Community an alle unter 21-jährigen AuPairs verteilt hatte, um trotzdem feiern gehen zu können).
Heute will ich neben den echten New Yorker Nächten und Partys noch dringlicher wissen, was ich an Potenzial mitbringe, um meine sich dort eröffnenden Möglichkeiten von meinen Wünschen, Zielen und Vorstellungen abhängig zu machen.
Das letzte Mal besuchte ich New York 2019. Um genau zu sein, habe ich in dem Jahr Silvester im Flugzeug verbracht, indem ich in New Yorks Flieger gestiegen und 2020 in Deutschland ausgestiegen bin. Leider sollte es ja für uns alle ein merkwürdiges Jahr werden.
Wie dem auch sei, bei meinem letzten NY-Besuch habe ich gerade begonnen, meiner künstlerischen Identität auf die Spur zu kommen und schob Visitenkarten durch die Türschlitze verschiedenster Galerien und quatschte etliche Galleristinnen und Galleristen an mit: „Heeey – I am Lena Whooo, a young and soon to be thriving artist from Germany“.
Das Interesse war gering, kann aber angesichts meiner quirligen Erscheinung auch keine Überraschung oder Enttäuschung sein – schließlich grinst oder lacht man in der ArtWorld nicht. Dir muss stets eine strenge oder gar ernste Miene im Gesicht liegen, am besten bist du überwiegend schwarz gekleidet, „sonst wirst du nicht ernst genommen“, sagt man.
Dies und anderes war und ist mir heute noch immer sehr egal – ich verstelle mich nicht, es sei denn ich werde im professionellen Sinne dafür bezahlt; also als Schauspielerin. Ich habe meine eigene Auffassung meiner künstlerischen Identität.
Heute stelle ich mich nicht mehr nur als Künstlerin vor. Ich habe neben Bielefeld zwar sogar schon in der Kommunalen Galerie Berlin ausstellen dürfen, mich aber in den letzten Jahren auch intensiv auf anderen Kunstsparten ausgebreitet, die mir schon immer eigen waren, sodass Artist als Begriff alleine in seinem Umfang nicht ausreichend ist. Mit dem Schreiben von Texten, Skripten und Artikeln – wie zum Beispiel diesem hier – aber auch mit der Arbeit an meiner eigenen Erstveröffentlichung, habe ich mir das Autorinnensein auf die Stirn geschrieben; oder aber, es stand schon immer dort. Denn meine erste Geschichte habe ich mit gut sechs Jahren geschrieben; mit etlichen Fehlern und ohne Höhepunkte. Das Schreiben ist ein essenzieller Teil von mir, so auch das Spielen.
Ach! Wie ich das Spielen liebe, denn Spiel bringt mir das so vertraute Gefühl von kindlicher Freiheit, von ausprobieren dürfen und wollen, von verwischten richtig/falsch-Markern, was ich im Alltag des 9 to 5 Jobs sichtlich vermisse. Ja, ich liebe das Spiel und das Spiel liebt mich. In der Grundschule – ich glaube in der dritten Klasse – stand ich als Igel und Regenbogenfisch das erste Mal schauspielernd auf der Bühne und wusste, dass ich dies zu meiner Passion machen wollte. Aber das Leben kam anders, rassistische Systeme und Entmutigungen führten dazu, dass die Zeit verging, ich das Schauspielen nicht in Betracht zog und erst wieder im Studium durch etliche Seminare und letztlich sogar durch eine einjährige Theaterpädagogikausbildung wieder zum Schauspielern fand.
Ich merkte da bereits, wie sehr ich diese Seite vergessen und vermisst hatte und wusste, dass ich nun – koste es, was es wolle – mein Geld mit dem Schauspielen, der Kunst und der Literatur verdienen wollte. Nur wie, wusste ich nicht. Doch das sollte mich nicht aufhalten, weshalb ich heute darüber schreibe, dass ich in drei Tagen in New York mein intensives Schauspielstipendium an der New York Conservatory of Dramatic Arts antreten werde.
Zurückkommen werde ich als Schauspielerin, die in New York studiert hat. Zurückkommen werde ich mit neuen Techniken, der amerikanischen Lässigkeit und einer Prise Prestige, die mir mit meinem Erscheinungsbild auf dem deutschen Markt helfen soll, Rollen außerhalb der weißgewaschenen Klischees von Helferinnen, Bedienungen, illegalen Arbeiterinnen oder Ähnlichem zu bekommen.
Und mit Geschichten werde ich zurückkommen. Geschichten, die ich mit euch teilen möchte, weil ich denke, dass wir mehr von unseren Geschichten im Umlauf brauchen, um größer träumen zu wollen – denn können, können wir alles, wenn wir es uns vornehmen. Sich trauen davon träumen zu dürfen, ist der erste Schritt. Realistisch träumen, dass ist im Zeitalter der postkolonialistischen Traumata für Menschen wie uns – Menschen mit diversen ethnischen Herkünften etc. – in einer weiß-dominierten Gesellschaft, ja fast Welt, gar nicht so einfach.
Also träumt mit mir von der großen weiten Welt und Amerika als Teil dessen. Als einen Ort, wo die unbegrenzten Möglichkeiten nur so warten, auf einen wie dich und eine wie mich.
By Lena Whooo – 09.07.2021, Berlin
Nice, sehr schön und offen geschrieben🙌🥳