Fotoquelle: https://unsplash.com/photos/JpCOGj0uIlI
Die Frage nach der eigenen Identität beschäftigt uns ein Leben lang. Wenn in der Psychologie von Identität gesprochen wird, ist die Art und Weise gemeint, wie ein Mensch sich selbst, im Austausch mit seinem sozialen Umfeld, wahrnimmt und versteht. Dabei spielen Faktoren, wie Geschlecht, Alter, soziale Herkunft, Ethnizität, Nationalität, Gruppenzugehörigkeiten, Beruf und sozialer Status, aber auch persönliche Eigenschaften und Kompetenzen eine bedeutende Rolle. Die Entwicklungspsychologie ist der Auffassung, dass das Jugendalter einer der wichtigsten Phasen für die Entwicklung der eigenen Identität darstellt. Junge Heranwachsende, die multikulturell aufwachsen, müssen sich oft mit der Frage nach der kulturellen Identität als soziale Konstruktion befassen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Selbstbeschreibung.
Wie bezeichne ich mich als Schwarzer Mensch in Deutschland?
Eine Möglichkeit stellt die Bezeichnung Afrodeutsch dar. Doch woher stammt der Begriff? Afrodeutsch wurde, wie auch Schwarze Deutsche, von der Neuen Schwarzen Bewegung als Selbstbezeichnung eingeführt, um ein eigenes Selbstkonzept zu entwickeln, welches externe, rassistische Fremdbezeichnungen ablöst. Der Begriff ist stark geprägt von Audre Lord, einer amerikanischen Aktivistin und Autorin. Zwischen den Jahren 1984 und 1992, reiste sie immer wieder mal nach Berlin und tauschte sich mit Schwarzen Menschen in Deutschland aus. Schwarze deutsche Autorinnen wie May Ayim, Ika Hügel-Marshall und Katharina Oguntoye wurden von ihr inspiriert und veröffentlichten daraufhin ihre Werke, welche schlussendlich auch ins Englische übersetzt wurden. Die Einführung der Selbstbezeichnung war ein Akt der Selbstermächtigung und ein bedeutender Schritt in der Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland.
Afrodeutsch als Selbstbeschreibung
Nicht alle Schwarzen Menschen in Deutschland verstehen sich als afrodeutsch, obwohl sie teilweise hier aufgewachsen sind und sozialisiert wurden. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die vermeintliche Anlehnung an der Bezeichnung afroamerikanisch aus dem Englischen. Viele von uns haben das Privileg, sich auf dem afrikanischen Kontinent verorten zu können. Sie wissen, woher ihre Eltern kommen und können sich mit den Herkunftsländern kulturell identifizieren. Afrodeutsch betone die deutsche Identität, die afrikanische Herkunft rücke dabei in den Hintergrund. Infolgedessen fühlen sich Schwarze Menschen, die sich nicht als Deutsch identifizieren, nicht zugehörig. Dazu zählen Menschen, die den Großteil ihres Lebens in ihren Herkunftsländern verbracht haben.
Die Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland ist, aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe des Einzelnen, sehr divers. Es ist herausfordernd, eine Selbstbezeichnung zu finden, die die Diversität der Realitäten Schwarzer Menschen widerspiegelt. Ein Aspekt, der uns alle dennoch verbindet, ist die kollektive Erfahrung als Teil einer Minderheit in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Vor allem in Bezug auf politische Forderungen ist es notwendig, Selbstbezeichnungen zu wählen, mit denen sich möglichst alle afrodiasporischen Menschen identifizieren können. Denn aktuell beschränkt sich Schwarzer Aktivismus zum Großteil auf diejenigen von uns, die in Deutschland aufgewachsen und auch verankert sind. Die Sorgen von afrikanischen Studierenden oder geflüchteten Menschen spielen dabei kaum eine Rolle. Daher ist es an dieser Stelle sinnvoll sich die Frage zu stellen, wie inklusiv Schwarzer Aktivismus in Deutschland tatsächlich ist.