Der afrikanische Kontinent ist komplex. Allein die schiere Größe von über 30 Millionen Quadratkilometern – Europa kommt gerade mal auf 10 Millionen – sowie drei Klimazonen und über 1,2 Milliarden Menschen, die dort leben sollte verdeutlichen, dass es sich bei Afrika um einen sehr komplexen Kontinent handelt. Geht es aber um Erzählungen über Afrika wird gerne vieles vermischt, was nicht vermischt werden sollte. Die unterschiedlichen Regionen, Nationen und Völker haben unterschiedliche Geschichten. Deren Erfahrungen zu generalisieren, führt regelmäßig zur Irreführung der afrikanischen Geschichte.
Völker, nicht Stämme
Oft werden afrikanische Menschen im Kollektiv gesehen und falls nicht, wird meistens eine Unterscheidung in “Stämme” vorgenommen. Dieser Begriff ist allerdings sehr problematisch, da man aus ihn schließen könnte, dass die Volksgruppen auf dem Kontinent eine zahlenmäßig geringe Gemeinschaft bilden. Jedoch gehören vielen Volksgruppen Millionen von Menschen an. So manche Volksgruppen, die aus westlicher Perspektive als “Stämme” bezeichnet werden, sind größer als viele Nationen Europas. Viele Völker Afrikas haben ihre eigene Sprache, Kultur und Geschichte. Daher sollte die Betrachtung von Völkern als “Stämme” abgelegt werden. Eine differenzierte Betrachtungsweise hilft, Afrika so wahrzunehmen wie es sich darstellt, nämlich als ein diverser hochkomplexer Kontinent mit weit über 50 Nationalstaaten. Ansonsten wird man den realen Gegebenheiten nicht gerecht.
Narrativ mit der falschen Deutungshoheit
Geht es um Themen mit Afrikabezug, so hat oftmals die europäische Perspektive die Deutungshoheit inne. Leider hilft diese dabei nicht, eine ausführliche und ausgewogene Darstellung der historischen und gegenwärtigen Sachverhalte in Bezug zu Afrika zu erlangen. Viel zu selten kommen die betroffenen Akteure auf dem Kontinent zu Wort. Ebenso erfahren deren Errungenschaften nur wenig Beachtung. Wer es ernst meint, Informationen ungefiltert zur Verfügung zu stellen, darf afrikanische Literatur gegenüber europäischer Literatur nicht benachteiligen. In Kunst, Kultur, Literatur und Wissenschaft wird die afrikanische Perspektive nicht oder nur unzureichend gesehen. Gerade für Menschen mit afrikanischer Abstammung hat diese Informationsasymmetrie eine verheerende Auswirkung. Denn das verzerrte Bild, welches durch das Informationsungleichgewicht entsteht, führt über kurz oder lang zu einem gestörten Verhältnis zum Mutterkontinent. Für weiße europäische Menschen hat dieses verzerrte Bild auch Konsequenzen, da ihnen vollständige Informationen vorenthalten werden und somit die Beweggründe einer europäischen Afrikapolitik nicht klar sind. Weiße europäische Menschen würden daher ebenso von mehr Transparenz profitieren.
Insgesamt würden die Menschen auf beiden Kontinenten profitieren, wenn die Deutungshoheit nicht mehr nur in westlicher Hand oder bei einigen wenigen Konzernen liegt. Afrikanische Angelegenheiten, historische wie auch aktuelle, sollten von afrikanischen Menschen präsentiert werden. So kann die nötige Sensitivität, welche der Komplexität des Kontinents gerecht wird, gewährleistet werden.
Selbststudium hilft
Es bleibt wichtig festzuhalten, dass Menschen die vorherrschende Informationsasymmetrie nicht als Ausrede nutzen, sondern selbst auf Informationssuche gehen sollten. Es gibt ausreichend Literatur und Dokumentationen zu Themen mit Afrikabezug. Ebenso gibt es eine Vielzahl von Organisationen, die ein anderes Narrativ haben und zu einem Perspektivwechsel beitragen. Jede Person, die sich der Irreführung der afrikanischen Geschichte nicht hingeben möchte, sollte im Selbststudium nach alternativen Quellen suchen und sich diesen verstärkt bedienen. Wenn es um Afrika geht, sollte auch Afrika zu Wort kommen.
Im Folgenden haben wir einige Anregungen zum Selbststudium zusammengefasst. Über weitere Hinweise freuen wir uns.
Literaturempfehlung:
How Europe Underdeveloped Africa – Walter Rodney
The Mis-Education of the Negro – Cater G Woodson
Critique of Black Reason – Achille Mbembe
African Origin of Civilazation – Cheikh Anta Diop
Precolonial Black Africa – Cheikh Anta Diop
African Contribution to Civilzation – G.K. Osei
Afropean – Johny Pitts
Africa’s greatest entrepreneurs – Moky Makura
Dokumentationen:
Journey of an African Colony
Organisationen:
EOTO e.V.
ISD e.V.
Antonio Amadeo Stiftung