Lehramtsstudentin Elodie im Interview

Elodie ist 23 Jahre alt und Lehramtsstudentin. Sie wurde in Togo geboren und besuchte dort bis zur dritten Klasse die Schule. Als Elodie acht Jahre alt war, ist ihre Familie nach Deutschland gekommen. Damals wohnte sie mit ihrer Familie in der Nähe von Bremen. Dort hat sie die Schule mit der zweiten Klasse begonnen, da sie zwei Klassen heruntergesetzt wurde. Dadurch fiel es ihr am Anfang leichter, die deutsche Sprache zu lernen sowie die Kultur und das System richtig kennenzulernen. Anschließend besuchte Elodie zunächst die Hauptschule, danach die Werkrealschule und schließlich das berufliche Gymnasium, wo sie ihr Abitur mit dem Profil „Internationale Wirtschaft” absolvierte. Aktuell studiert sie in Stuttgart im dritten Semester Lehramt in den Fächern Französisch und Philosophie. Im folgendem Interview erzählt uns Elodie, was sie dazu bewogen hat, auf Lehramt zu studieren und mit welchen Herausforderungen sie auf ihrem Bildungsweg konfrontiert wurde und wird. Zudem gibt sie Afrodeutschen, die über ein Lehramtsstudium nachdenken, hilfreiche Tipps mit auf dem Weg.       

Hallo Elodie. Was war deine Motivation dafür, Lehramt zu studieren? 

Nach dem Abitur muss man ja darüber nachdenken, wie man weitermacht und was man werden möchte. Das war für mich ziemlich schwer, wenn ich ehrlich bin, denn ich wusste nicht genau, in welche Richtung ich möchte. Aber ich hatte immer Interesse an der Bildung. Ich finde es ziemlich wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, egal was man im Hauptberuf macht. Man kann immer etwas für die Bildung tun. Das war mir ziemlich wichtig und deshalb wollte ich in Richtung Bildung gehen. Dann habe ich geschaut, was ich in diesem Bereich machen kann und das Lehramt war für mich einfach die beste Möglichkeit. 

Hast du persönlich in deinem bisherigen Bildungsweg eher Benachteiligungen oder Empowerment erfahren?

Also ich muss sagen, ich habe beides erlebt. In der Grundschule war es damals so, dass meine Sprachkenntnisse nicht gut genug waren und daher wurde ich in die Hauptschule geschickt. Es hieß, da ich die Sprache nicht gut genug könne, würde es nichts bringen, wenn man mich in die Realschule oder ins Gymnasium schickt, da ich sonst untergehen würde. Das fand ich etwas ungerecht. Ich hatte eine Freundin, der ich per Telefon die Hausaufgaben erklären musste. Meine Mutter konnte nie verstehen, warum meine Freundin in die Realschule kam und ich, die ihr das immer erklären musste, in die Hauptschule. Ich verstand aber, dass das zwar an meiner Sprache lag, ich aber trotzdem weitermachen musste. Es gab auch Lehrkräfte die gesagt haben, dass man alles schaffen kann, was man möchte und die Rassismus echt nicht toleriert haben. Es gab immer wieder Schüler mit blöden Kommentaren, weil ich aus deren Sicht etwas Falsches gesagt habe oder es nicht Deutsch klang. Da hatte ich Lehrkräfte, die sofort gesagt haben, dass das nicht geht. Das hat mich immer inspiriert und ich möchte so eine Haltung auch anderen Generationen weitergeben. 

Welche Herausforderungen begegnen dir im Studium?  

Im Laufe des Studiums muss man viel selbstständig schreiben und abgeben, vor allem Hausarbeiten. Ich mache mir Sorgen darüber, wie meine Formulierung bei den Professorinnen und Professoren ankommt. Damit meine ich die Sorge davor, dass Zweifel an meinen Fähigkeiten aufkommen, wenn mal etwas nicht Deutsch klingt. Darauf wird nämlich sehr geachtet. Ansonsten habe ich bislang keine Schwierigkeiten.      

Was genau reizt dich am Lehramtsstudium?

Ich habe eben bereits erwähnt, dass ich Lehrkräfte hatte, die mir sowohl positiv als auch negativ begegnet sind. Ich denke für Schüler oder Jugendliche ist es wichtig, jemanden zu haben, der sie versteht. Ich hatte ungelogen Lehrkräfte, die gesagt haben, dass das, was ich schreibe Hauptschulniveau hat. Lehrkräfte müssen jedoch vielmehr unterstützend wirken, anstatt einen auf diese Weise zu verunsichern. Ich freue mich darauf, Kinder und Jugendliche zu unterstützen und ihnen beizubringen, dass es nicht darum geht, der oder die Beste zu sein, sondern darum, alles zu geben. Ich möchte ihnen beibringen, dass man immer vorankommt, solange man nicht aufgibt. Ich möchte auch die Begeisterung wecken und so dafür sorgen, dass die Beteiligten mehr Spaß an der Sache haben.  

Welche Lehrinhalte wünscht du dir als Afrodeutsche im deutschen Bildungssystem?

Angefangen habe ich mein Studium mit den Fächern Französisch und Geschichte. Ich bin davon ausgegangen, dass es auch um die afrikanische Geschichte gehen würde. Das hat mir in meiner Schulbildung sehr gefehlt. Ich erinnere mich, dass wir uns gerade einmal in einer Unterrichtseinheit in Geschichte etwa zwanzig Minuten damit befasst haben. Wir sind nicht tiefgründig in die Geschichte eingegangen und das hatte mich sehr überrascht. Das war die Motivation für meine Entscheidung, Geschichte zu studieren. Ich habe aber festgestellt, dass der Fokus auf der europäischen Geschichte liegt. Ich wollte mehr in Richtung afrikanische Geschichte, daher musste ich das Fach tauschen, da ich keinen Spaß darin hatte. Ich würde mir wünschen, dass man sowohl Menschen mit als auch Menschen ohne afrikanischem Ursprung mehr über die afrikanische Geschichte beibringt. Man muss aus der Geschichte lernen, um sich weiterbilden zu können.    

Warum ist es aus deiner Sicht wichtig, dass mehr Afrodeutsche den Schritt unternehmen, den Lehramtsberuf zu ergreifen? 

Ich hatte meiner Tante erzählt, dass ich Lehramt studieren werde. Ich muss ehrlich sagen, dass sie und ihre Familie davon nicht begeistert waren. Nicht weil sie dachten, dass ich es nicht schaffen würde, sondern weil sie dachten, dass ich von den Eltern der Lernenden beschuldigt werden würde, wenn die Lernenden nicht performen. Das waren Dinge, die mich schon zum Nachdenken gebracht haben, sodass ich mir die Frage stellte, ob ich das wirklich machen will. Aber ich habe mir gedacht, dass ich mich deswegen nicht aufhalten lasse und meinen Weg gehe. Ich möchte den Leuten zeigen, dass Afrodeutsche alles schaffen können, wenn sie es nur wirklich wollen, trotz aller Ängste und negativen Reaktionen, die es immer geben wird. 

Was würdest du Afrodeutschen raten, die darüber nachdenken Lehramt zu studieren?

Ich würde sagen, macht es auf jeden Fall, denn ein Versuch ist es wert. Der Weg ist ziemlich lang, wenn ich ehrlich bin. Man muss den Bachelor und dann Master absolvieren und dann kommt auch noch das Referendariat dazu. Es stellen sich Fragen nach dem Motto: Was ist wenn ich während dem Studium merke, dass ich es nicht schaffe? Was ist, wenn ich nicht mehr weiterstudieren möchte? Es gibt immer einen Ausweg, denn nachdem man z.B. seinen Bachelor gemacht hat und man sich nicht vorstellen kann, den Beruf auszuüben, kann man sich danach z.B. trotzdem noch auf anderem Wege für die Bildung einsetzen oder etwas ganz anderes machen. Man darf sich jetzt nicht durch die Länge verunsichern lassen. Es geht darum, Sachen auszuprobieren. Man kann nie verlieren, da man immer etwas dazulernt und solange man etwas dazulernen kann und offen dafür ist zu lernen, hat man schon gewonnen. 

Liebe Elodie danke für das Interview und danke, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. 

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