Ein Gastbeitrag von Lena Whooo
Wow – wie die Zeit verfliegt, wenn man Spaß hat und an seinen Träumen arbeitet! Die dritte Woche hat begonnen und ich laufe noch immer mit wachem Blick und offener Attitüde durch die Straßen Upper and Lower Manhattans.
Jeden Morgen springe ich aufgrund von Geldmangel über das Drehkreuz, um mich von Harlem auf nach Midtown zum New York Conservatory of Dramatic Arts zu machen und gute acht Stunden mit dem zu verbringen, was ich liebe und wofür ich brenne: dem Schauspielen.
Und ich darf viel lernen und erfahren am NYCDA. Ich darf auskosten, was es heißt, den Alltag wirklich für seine einzigartigen Momente wahrzunehmen (auch wenn mir dies noch nie eine große Hürde war) und in den einzelnen Kursen aufmerksam und nachsichtig mit meinen schauspielernden Mitstudierenden umzugehen. Wir sind wachsam und achtsam am New York Konservatorium der Darstellenden Künste – ich liebe den Impact, den es bereits auf mich hat.
Nicht nur im Zusammenhang meines Studiums setze ich mich mit meiner Faszination des Moments, des Erlebens und des Erfahrens auseinander. Wie könnte mich dieses Thema auch nicht konstant und tagtäglich begleiten? Schließlich erlebe ich – erleben wir Menschen – jeden Tag so unglaublich viel und es verlangt ein Training der eigenen Aufmerksamkeit, um sich den kleinen Details des Tagtäglichen gewahr zu werden.
Daher doch auch das Sprichwort, dass Zeit wie im Flug verfliegt. Dabeiist es unsere Aufmerksamkeit, die sich wie ein Fähnchen im Wind keine Ruhe gönnen kann. Dennoch kann ich genau nachvollziehen, was gemeint ist, wir alle kennen das Gefühl, nicht über genügend Zeit zu verfügen.
Unter dem Licht neigen sich eben auch meine Tage hier im New York bereits dem Ende zu, und ich hatte aufgrund all der Möglichkeiten zu lernen, gar keine Muße um beispielsweise mal ein wenig mehr als ein paar Notizen für diesen Artikel hier festzuhalten. Das Leben rennt täglich an mir und meinen Aufgaben und Verpflichtungen vorbei und diese stapeln sich automatisch in Prokrastinationstürme – nur weil ich andere Verpflichtungen an anderen Enden priorisieren muss.
Bei all dem verschätzt Mensch sich schon mal mit den Wochen, Tagen oder Stunden, die einem dann noch bleiben. Glücklicherweise muss ich mich noch nicht damit beschäftigen, dennoch ist es seltsam daran zu denken, dass wie viel Zeit bis hierher vergangen ist. Bereits mehr als die Hälfte meines Schauspielstudiums ist vorüber – wir befinden uns in der Mitte der dritten Woche. Es ist Anfang August! Zu meinem Segen haben es aber auch diese drei Wochen überhaupt erst möglich gemacht, meine Zeit hier in New York als so vollkommen wahrzunehmen. Ja, in der dritten Woche bin ich (erst) und ich fühle mich bereits so dankbar und erfüllt, als hätte ich ein ganzes Jahr hier verbracht. Ich hab‘ bereits so viel erlebt und so viele Menschen kennenlernen dürfen – eine wahre Explosion meiner kühnsten Wünsche & Träume.
Drum erlebe ich meine Zeit hier, als würde ich – yet again – ein zweites Leben, ein weiteres Standbein aufbauen. Das Gefühl angekommen zu sein und hier meine Regelmäßigkeiten sowie Freunde und – zu mindestens – potenzielle Arbeitschancen gefunden zu haben, entschleunigt für mich die sich weiter heranbahnende Angst des Abschiednehmens.
Mein ‚neues‘; mein ‚New Yorker Leben‘ wieder verlassen zu müssen ist mir derzeit unvorstellbar – meine Realität, zu verlassen, die mir vorkommt, als hätte jemand ein Coming of Age Film-Skript abgegeben, möchte ich mir jetzt gar nicht erst ausmalen.
Wie heißt das Gegenteil von Heimweh, wenn man schon in der Ferne wohnt? Heimangst? Die Furcht vor dem dir so sehr bekannten, dass du vor genau dem davongelaufen bist – und da wieder freiwillig hin zurück? Allein die heimische Lebensqualität wird einem ständig mit ‚Miesepeterigkeit‘ überschattet und ist gekennzeichnet von Ödness und deutscher Engstirnigkeit, welche ich hier in den weitestgehend lockeren USA einfach nicht vermisse.
Und ich werd dieses zweite Leben nicht einmal pausieren können, sondern fürs Erste einmal ganz aufgeben müssen – etwas, das ich generell nie anzustreben wage; doch steuere ich trotzdem darauf zu, oder etwas nicht? Beim Abschied in vier Wochen werde ich New York City für unbestimmte Zeit auf nimmer wiedersehen sagen müssen – und das Leben geht dann hier weiter; Freunde werden ohne mich chillen, Festivals werden ohne mich gefeiert und Filme werden ohne mich gedreht werden. That’s life, I guess.
Ich versuche mich von diesen Gedanken nicht entmutigen, nicht runterziehen zu lassen. Wo ist meine Dankbarkeit – This Experience hier ist keine Selbstverständlichkeit – es handelt sich hier um ein Privileg und dessen bin ich mir bewusst.
Aber dennoch dieser Zweifel an allem – am meisten an mir selbst. Natürlich habe ich viel erlebt; und natürlich erlebe ich mit jedem Tag noch viel mehr und meine Wahrnehmung schärft sich weiterhin mit jedem neuen Tag am Konservatorium. Aber was alles werde ich nur verpassen, sobald ich das sogenannte ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten‘ dann wieder verlasse – welche gerade geöffneten Türen werde ich nie durchtreten können…
But that’s the thing about experience, right?
Jeder nimmt seine eigene Welt völlig anders wahr. Ich erlebe meine Welt – wie bereits angedeutet – wie einen Film; schon immer. Das Genre kann ich nicht festlegen – irgendwo zwischen Indiana Jones, Gossip Girl und Tomb Rider; unter der Regie von Tarantino und Tim Burton, I guess. Gefühlt spielt sich mein Leben im magischen Realismus ab – transzendent verschwimmen die Grenzen meiner Realität und Fantasie stets ineinander und lassen mich täglich über die kleinsten Dinge staunen. Manchmal denke ich, ich habe eine Wahrnehmung eines sechsjährigen Kindes und die Reflexionsgabe einer 75-jährigen Omi.
Fantastik und Realismus existieren in meinem Leben nicht nur nebeneinander, sondern reichen sich die Hände und wiegen mich in ihrer unglaublich revitalisierenden Manifestationsarbeit in den Schlaf. Manchmal ist alles zu gut und zu schön, um wahr zu sein – doch mir graut es davor, nur daran zu denken, einen Schritt aus der Fantastik, ja aus meinem Traum herauszuschreiten, wenn es Ende August dann wieder heißt – „Hallo Deutschland“.
Noch weiß ich nicht, ob ich das überhaupt kann – den Sprung zurück in meine Realität, wo die Wunder meist doch so fern liegen, weil sie sich erst hart erarbeitet worden sind. Noch weiß ich nicht, ob ich die Enttäuschung der Rückkehr werde abschütteln können – oder ob es mir sogar wird dienlich sein?!
Vielleicht wird es mich ja auch zu einer besseren Künstlerin, gewiss auch zu einer besseren Schauspielerin machen, wenn ich die Möglichkeiten des Unmöglichen stets im Kopf behalte und die Welt als einen riesigen Spielplatz ohne Grenzen betrachte, oder? Sicherlich macht es mich zu einem aufmerksameren Menschen.
Allein das ist es doch wert meine Perspektiven – my way to experience – zu hinterfragen, sich stetig zu wandeln, und Veränderungen mit offenen Augen zu lassen zu wollen.