In unserer Interviewreihe lag der Schwerpunkt bisher bei der Vorstellung der Lebensgeschichte von afrodeutschen Personen. Doch auch die Vorstellung von afrodiasporischen Organisationen und Vereinen soll nicht zu kurz kommen. Im Folgenden möchten wir euch daher das Deutsch-Kongolesischen Jugendinstitut e.V. (DKJ) vorstellen. Dazu haben wir André (Initiator und Mitglied im Vereinsrat des DKJ) interviewt. Er stellt den Verein vor und nennt die wichtigsten Vereinsaktivitäten sowie die Zukunftspläne.
Hallo André, was war die Motivation zur Gründung des DKJ?
Die Idee, den Verein zu gründen, ist im Jahr 2015 entstanden. Durch verschiedene Aktivitäten kannte ich viele gut qualifizierte, motivierte und disziplinierte Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen aus verschiedenen Städten. Ich habe aber beobachtet, dass es von den gut qualifizierten Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen gegenüber der eigenen kongolesischen Community ein mangelndes Vertrauen gab. Einerseits hatten wir starke Akteure, die individuell gute Projekte gemacht haben, andererseits eine Community, die als Kollektiv kein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgegeben hat. Unsere Absicht war es, Vertrauen untereinander und, vor allem bei den jüngeren Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen, Vertrauen in die eigene Community zu schaffen. Wir wollten die ganzen Stärken und Talente unserer Community bündeln und gemeinsam versuchen, das Bild der kongolesischen Community in Deutschland zu verändern. Was mir vom ersten Tag an persönlich sehr am Herzen lag war, dass der Verein extern sowie intern keine One-Man-Show wird, sondern dass der Verein spürbar eine kollektive Angelegenheit und mit vielen Gesichtern verbunden wird. Ich denke dies ist sofort gelungen. Personenkult, Autoritarismus und Spaltungen sind Themen, die der kongolesischen Community ständig schaden. Demokratie, Transparenz und Vielfalt sind zentrale Werte unseres Vereins.
Was sind eure wichtigsten Vereinsaktivitäten?
Also tagtäglich beschäftigen wir uns damit, unsere Community zusammenzubringen. Wir versuchen gezielt Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen in Deutschland, aber auch Menschen aus anderen Ländern für den Kongo zu begeistern und kongolesische Themen für die Öffentlichkeit interessant zu machen. Dazu veranstalten wir verschiedene Aktivitäten. Wir sind im sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und im Bildungsbereich aktiv. Innerhalb der Bereiche veranstalten wir unterschiedliche Projekte. Wir haben zum einen die BISO-Konferenz. Sie hat seit 2017 bisher jährlich im Sommer an unserem Unabhängigkeitstag stattgefunden. Dort sprechen wir im größeren Rahmen u.a. über die neuesten kulturellen und wirtschaftlichen Trends. Auf der Konferenz sprechen Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen miteinander und versuchen sich gegenseitig zu inspirieren. Auf der Konferenz laden wir auch Leute ein, die eine Expertise zu Kongo haben. Die Expertinnen und Experten können Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen aber auch Menschen aus anderen Ländern sein, die eine Affinität oder einen Kontakt zum Kongo haben. Andererseits haben wir auch gezielte Workshops, wo wir uns mit spezifischen Themen beschäftigen, und Expertinnen und Experten einladen. Insbesondere der DKJ-Frauentag ist da sehr hervorzuheben und erfolgreich. Des Weiteren bieten wir für unsere Mitglieder auch exklusiv Events an, wie z.B. Exklusivtreffen mit bekannten kongolesischen Persönlichkeiten. Wir setzen konsequent den Fokus auf konstruktive Themen, deshalb spielen Politik und Religion für den Verein keine Rolle, da diese Themen die kongolesische Community eher spalten als zusammenführen. Wir als kongolesische Community wollen uns nicht isolieren, sondern beobachten, was sich in den anderen afrikanischen Ländern tut. Deshalb haben wir auch regelmäßig Speaker aus ganz Afrika da, die uns etwas über die jeweiligen Staaten berichten und wir kooperieren regelmäßig mit anderen afrikanischen Vereinen.
Wie setzen sich eure Mitglieder zusammen und wie beteiligen sie sich am Vereinsleben?
Unsere Mitglieder sind aktuell zwischen 19 und 35 Jahren jung. Die meisten sind Studierende, wir haben aber auch Auszubildende, Unternehmerinnen und Unternehmer und Leute, die mitten im Berufsleben stehen. Im Verein haben wir verschiedene Arbeitsgruppen. Es gibt Mitglieder, die eher einen Fokus auf die Bildungsarbeit haben und sich z.B. im Social Media Team engagieren. Dort erarbeiten sie verschiedene Projekte, um die Öffentlichkeit zum Kongo zu bilden. Genauso haben wir auch Leute, die sich schwerpunktmäßig mit sozialen Themen auseinandersetzen. In Kooperation mit anderen Vereinen haben wir viele Aktionen und Projekte vor Ort im Kongo organisiert. So haben wir z.B. zuletzt ein Waisenhaus unterstützt. Wir veranstalten darüber hinaus Workshops zu kulturellen und wirtschaftlichen Themen. Wichtig ist zu sagen, dass jedes Mitglied die Möglichkeit hat, seine Themen einzubringen. Sobald ein Mitglied eine Idee hat, die sich gut anhört und zu den Vereinszielen und Aktivitäten passt, wird versucht, diese Idee in die Planungen mit einzubeziehen und kollektiv umzusetzen. Ich muss auch hervorheben, dass 80-90% unserer Mitglieder Frauen sind und sich auf allen Ebenen engagieren und den Verein erfolgreich mit Leben füllen. Das beeindruckt mich zwar ständig, überrascht mich aber nicht, da Studien belegen, dass Organisationen & Staaten in Afrika, wo Frauen eine zentrale Rolle übernehmen, überdurchschnittlich oft erfolgreich sind. Das DKJ als junger, aber mittlerweile größter kongolesischer Verein in Deutschland, ist ein weiterer Beweis dafür.
Du hast gerade erwähnt, dass ihr u.a. einen Fokus auf die Bildungsarbeit legt. Wie kann man sich diese genau vorstellen?
Anfangs haben verstärkt daran gearbeitet, dass uns die jungen kongolesischen Leute, die sich in der Ausbildung oder im Studium befinden, Vertrauen entgegenbringen. Es ging darum, Vertrauen in die eigene Community zu schaffen. Es gibt viele Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen, die keinen Bezug zur eigenen Community haben. Sie bekommen von zuhause gesagt, dass die Community schwierig sei. Was wir zuerst gemacht haben war, Grundlagen zu schaffen, um Vertrauen aufzubauen, damit sich die jungen Leute durch unsere verschiedenen Angebote für den Kongo interessieren. So waren wir etwa gemeinsam in Berlin und konnten dort mit besonderen Gästen, wie dem kongolesischen Präsidenten in Berührung kommen und uns mit ihm austauschen. Dann haben wir noch unsere Workshops. In unseren Workshops geben wir ihnen Grundlagen zum Kongo mit auf dem Weg. Jetzt wo wir unser Fundament haben, und die Leute anfangen uns ernst zu nehmen und zu merken, dass wir seriöse Dinge machen, wollen wir zukünftig ein Mentoring-Programm starten. Hier wollen wir gerade Schülerinnen und Schüler fest an uns binden und ihnen bei ihrer beruflichen Integration helfen. Auf der anderen Seite wollen wir immer wieder den Bezug zur kongolesischen Community, zum Kongo und zu anderen afrikanischen Ländern herstellen. Diesen Bezug wollen wir durch unser Mentoring-Programm schaffen. Zukünftig sollen auch Ausflüge ins Ausland stattfinden.
Was sind eure langfristigen Zukunftspläne?
Unser langfristiges Ziel ist es, uns noch weiter im Kongo zu etablieren. Dazu wollen wir eine DKJ Niederlassung im Kongo schaffen. Wir wollen uns zum Ansprechpartner aller Deutsch-Kongolesinnen und Kongolesen sowie Kongo-Interessierten in Deutschland entwickeln, die bspw. Projekte vor Ort machen wollen, jedoch keine Kontakte haben und nicht wissen, wie sie starten sollen. Das ist ein wichtiges Ziel von uns. Aktuell haben wir in Frankfurt unsere Zentrale und das war auch unser wichtigster Ort. Aber mittlerweile haben wir Mitglieder aus ganz Deutschland, ohne wirklich aktiv geworben zu haben. Die Leute haben sich eigenständig für den Verein interessiert und beteiligen sich jetzt. Aufgrund dieser Entwicklung haben wir als Verein entschieden, dass wir in NRW eine Regionalgruppe und, aufgrund der Nähe zu den Institutionen und Partnern, in Berlin eine Repräsentation aufbauen wollen. Wir wollen zudem unsere gute Vernetzung mit anderen Vereinen in Deutschland weiter vertiefen und durch die Vernetzung mit anderen kongolesischen Diasporavereinen internationaler werden. Da sind wir schon in tiefgründigen Gesprächen mit Vereinen aus Großbritannien, aus Kanada und aus Amerika. Wir haben sehr viele afrikanische, afrodeutsche sowie deutsche Kooperationspartner. Insbesondere das ADAN, wo ich ebenfalls Mitglied bin, ist ein ganz wichtiger Ansprechpartner für uns und hilft uns regelmäßig mit sehr wertvollen Tipps. Wir arbeiten sehr eng mit Vereinen wie Kongo Excellence zusammen. Sie sind auch im Kongo vor Ort und globaler aufgestellt als das DKJ. Kooperationen werden bei uns ganz großgeschrieben. Das DKJ achtet darauf, dass wir die Community nicht isolieren, sondern mit anderen in Kontakt bleiben und lernen. Die Afrodeutsche Community ist sehr dynamisch und lebendig, es gibt viele Menschen, die sich tagtäglich zusätzlich zu ihren privaten Angelegenheiten sehr aktiv für das Kollektiv einsetzen. Deshalb ist es auch wichtig, dass es mittlerweile Plattformen wie Diasporean gibt, um diese Erfolgsgeschichten sichtbarer zu machen. Ich bin sehr stolz auf das ganze Team von euch.
Lieber André, danke für das Interview und danke, dass du uns das DKJ vorgestellt hast.